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Fellhaarfarbe
Die Farbe der Haut, des Fellhaars und der Augen von Säugetieren wird durch das Vorhandensein von Melanin-Pigmenten, bzw. durch das Zusammenspiel der Pigmenttypen Eumelanin (dunkelbraun oder schwarz) und Phäomelanin (rot oder gelb) bestimmt, deren Biosynthese im Inneren von reifen Pigmentzellen erfolgt.
Melanozyten
Pigmentzellen (Melanozyten) der Haut entstehen bei Säugetieren aus Zellen der embryonalen Neuralleiste. Während der Entwicklung des Embryos (Embryogenese) wandern Melanozyten-Vorläuferzellen (Melanoblasten) entlang der dorsolateralen Bahn nach außen in Richtung ihres Zielgewebes: Haut und Haarfollikel. Die Migration wird durch verschiedene Signale aus der intrinsischen und extrazellulären Umgebung gesteuert - beteiligt sind neben anderen der Transkriptionsfaktor MITF oder die Rezeptor-Tyrosinkinase KIT mit ihrem Liganden KITL. Die Melanoblasten differenzieren schließlich zu Melanozyten um Pigment zu produzieren. Einige der Melanoblasten verweilen als Melanozyten-Stammzellen im oberen Teil der Haarfollikel, im sogenannten Haarwulst, um während des zyklischen Haarwachstums zur Neubildung von Melanozyten beizutragen. Ausgereifte Melanozyten exprimieren neben weiteren Genen TYR und TYRP1, wobei MITF und KITL/KIT weiterhin als wichtige Vermittler dienen.1)2)
Melanozyten der Haut können indirekt auch aus nervenassoziierten Schwann-Zell-Vorläuferzellen entstehen.3)
Melanozyten anderer Gewebe als der Haut, wie etwa der Augen, können abweichende embryonale Ursprünge haben.
Haarzyklus und Melanintransfer
Die Haarfollikel durchlaufen nach der Geburt zahlreiche Wachstumszyklen, die sich in eine hochaktive Wachstumsphase (Anagen), eine Übergangs- oder Rückbildungsphase (Katagen) und eine Ruhephase (Telogen) gliedern lassen.4)
Im Anagen wird das Haarwachstum durch Teilung von Epithel-Stammzellen an der Basis der Haarfollikel, der sogenannten Haarzwiebel, eingeleitet. Die Stammzellen ummanteln die dermale Papille, welche das wachsende Haar mit Nährstoffen versorgt und ebenfalls eine maßgebliche Rolle als Signalgeber spielt. Aus dem Haarwulst werden Melanozyten-Stammzellen aktiviert, die sich schnell teilen und zu Melanozyten heranreifen. Die Melanozyten produzieren Melanin, welches sie als Pigmentkörnchen über ihre verästelten Ausläufer (Dendriten) an die reifen, hornbildenden Epithelzellen (Keratinozyten), bzw. an das wachsende Haar abgeben. Beendet wird der Wachstumsprozess eines Haars mit dem Eintritt ins Katagen: Die Aktivität der Zellen in der Haarzwiebel wird reduziert, der untere Teil des Haarfollikels bildet sich zurück (Apoptose der Matrixzellen), und das Haar wird von der Papille abgestoßen. Im abschließenden Telogen verhornt das Haar, während es zunächst im oberen Teil des Follikels verbleibt. Die Haarzwiebel regeneriert sich, um eine neue Runde des Haarwachstums einzuleiten. Das vollständig ausgebildete Haar kann unabhängig von dem im darunter liegenden Follikel stattfindenden Zyklus ruhen, d.h. neues Haar kann bereits wachsen, bevor altes ausfällt (Exogen).5)6)7)
Die Dauer der einzelnen Phasen, die Länge und die Beschaffenheit der Haare können je nach anatomischer Lage, Ernährungs- und Hormonstatus oder Alter variieren.8)
In der Arbeit von Ding et al., 20199) verblieben Haarfollikel von langhaarigen (Angora-)Kaninchen (n = 3) während der gesamten Beobachtungszeit von acht Wochen im Anagen, während die Haarfollikel kurzhaariger (Rex-)Kaninchen (n = 3) bereits nach sechs Wochen schrumpften (Katagen) und nach 8 Wochen verkümmert waren (Telogen).
In Ding et al., 202010) verblieben Haarfollikel bei 1,5-jährigen Angora (Wan Strain) sogar für eine Dauer von 20 Wochen im Anagen.
Bei Mäusen wurde gezeigt, dass die KITL/KIT-Signalgebung, nach der Embryogenese, für die Proliferation und Differenzierung der Melanozyten im Rahmen des postnatalen Haarzyklus erforderlich ist.11)
Passend dazu ergab eine Untersuchung von Hautproben verschiedenfarbiger Rexkaninchen (4x black, 4x white, 4x chinchilla, 4x brown, 4x gray und 4x gray-yellow), dass die Expression von KIT die Melanozyten-Proliferation fördert und deren Apoptose hemmt (Hu et al., 202012)).
Melanogenese
Die Biosynthese von Haarpigmenten (Melanogenese) während der Anagenphase des Haarzyklus findet in speziellen Organellen der Melanozyten, den Melanosomen, und über mehrere Stoffwechselschritte statt. Eine zentrale Rolle spielt dabei das kupferhaltige Enzym Tyrosinase.
Die Melanogenese von Eumelanin und Phäomelanin unterscheidet sich durch einige Schritte, und auch die Struktur der jeweiligen Melanosomen ist unterschiedlich: Eumelanosomen sind oval und enthalten eine faserige Matrix, während Phäomelanosomen überwiegend rund sind und eine kugelförmige Matrix enthalten.
Pigmenttyp-Umschaltung - Agouti-Melanocortin-Signalweg
Die Melonogenese wird in erster Linie durch die beiden Genorte „Extension“ und „Agouti“ gesteuert, deren Genprodukte miteinander wechselwirken. „Extension“ codiert den Melanocortin-1-Rezeptor, der sich an der Außenwand der Pigmentzellen befindet und als „Türschloss“ dient. Dockt ein passender Schlüssel (Agonist) an, so wird der Rezeptor aktiviert und die Pigmentproduktion im Inneren der Zelle gestartet. Im Falle des Agonisten α-MSH (Melanozyten-stimulierendes Hormon) wird dunkles Eumelanin gebildet. Wird α-MSH durch den Antagonisten Agouti-Signal-Protein am Andocken gehindert, resultiert eine verminderte Produktion von Eumelanin, d.h. es wird vorrangig Phäomelanin produziert.
Das ASIP-Gen wird neben der Haut (Transkripte 1A und 1C) auch in anderen Geweben exprimiert, wie Gehirn, Herz, Lunge, Niere, Leber, Milz oder Muskeln (Transkripte 1dv und 2Long), dort allerdings mit bislang nicht vollständig geklärter Funktion.13)14)
Melanin-Synthese in den Melanosomen
Die Anfangsphase des Melanin-Stoffwechsels ist für Eumelanine und Phäomelanine gleich: Die Aminosäure L-Tyrosin wird durch Tyrosinase in zwei aufeinanderfolgenden Schritten zu L-Dopachinon umgewandelt. In weiterer Folge werden über verschiedene Zwischenprodukte entweder mittels Tyrosinase-verwandter Enzyme (TYRP1, TYRP2/ DCT) Eumelanine oder – unter Einbezug der schwefelhaltigen Aminosäure Cystein – Phäomelanine produziert.
Auch die Melanogenese wird von KITL/KIT und MITF beeinflusst. Hu et al., 202015) stellten bei den untersuchten Hautproben verschiedenfarbiger Rexkaninchen weiters unterschiedliche Expressionslevel für KIT (mRNA und Protein) fest, wobei das höchste Level bei schwarzem, und das niedrigste bei weißem Fellhaar beobachtet wurde. Außerdem fanden sie signifikant positive Korrelationen zwischen der Transkription von KIT und der Transkription von Genen wie TYR, MITF, PMEL oder TYRP2/ DCT sowie dem Melaningehalt in den Melanozyten.
MITF dient bei Säugetieren als Transkriptionsfaktor für TYR und seine Verwandten (DCT, TYRP1) und ist an der Reifung der Melanosomen beteiligt.16)
Abb. 1: Schematische Darstellung der Melanogenese
(B verändert nach Wolf Horell et al., 201617))
Weißscheckung und Leuzismus
Gene oder Regulationsmechanismen, die weiße Abzeichen verursachen, sind direkt oder indirekt an der Entwicklung, Migration oder Differenzierung der pigmentbildenden Zellen beteiligt. Beim Kaninchen sind das unter anderem Dominante Weißscheckung (KIT), Plattenscheckung oder Vienna White.
Epistatische Wechselwirkungen
Beim Kaninchen sind im Wesentlichen sechs Loki an der Färbung des Fells beteiligt – ASIP (A), TYRP1 (B), TYR (C), MLPH (D), MC1R (E) und KIT (En). Für die Loki MC1R und ASIP wiesen bereits Fontanesi et al., 201018), mittels Kreuzung zwischen einem Champagne d'Argent-Rammler (EEaa, deutsch: BBgg) und einer Thüringer-Häsin (eeaa, bbgg), epistatische Wechselwirkungen nach.
Zur tiefergehenden Charakterisierung von Genen, welche zur phänotypischen Variabilität bei russenfarbigen Kaninchen beitragen, sequenzierten Demars et al., 202219) das Genom von Kalifornierkaninchen, die sie in sechs verschiedene Gruppen sortierten (P1 bis P6, von vollständig weiß bis intensiv dunkler Färbung der Ohren und der Nase; insgesamt 686 Kaninchen; Referenzgenom OryCun2.0).
Am epistatischen Netzwerk, welches sich auf die Intensität und Ausbreitung der Farbe bei Kaliforniern auswirkte, waren beteiligt: Varianten auf Chromosom 1 (einschließlich TYR), KIT (beeinflusst durch eine copy number variation, CNV), MC1R(/-ANKRD11), ASIP, prozessierte ribosomale Pseudogene (RPS14, RPS20) oder auch Regionen, welche die Gene HPS5, POT1, TTC8, SPATA7 oder CERKL umfassen.
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