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Immunsystem

Das Immunsystem ist ein komplexes System zur Erhaltung des Individuums durch Abwehr körperfremder Substanzen (Antigene) und kontinuierlicher Elimination anomaler Körperzellen, an der die Organe des lymphatischen Systems, im gesamten Organismus verteilte Zellen (Leukozyten, Zellen des Monozyten-Makrophagen-Systems) und Moleküle (Immunglobuline, Lymphokine) beteiligt sind.

Als „Immunität“ wird die Unempfänglichkeit des Organismus für eine Infektion mit pathogenen Mikroorganismen bzw. der Schutz vor der Wirkung mikrobieller Stoffwechselprodukte sowie pflanzlicher oder tierischer Gifte aufgrund unspezifischer Abwehrmechanismen bzw. eine adäquate Immunantwort des Immunsystems bezeichnet1).

Als „primäre Immunität“ wird die Reaktion des Immunsystems auf den erstmaligen Antigenkontakt bezeichnet - als „sekundäre Immunität“ die auf einen erneuten Kontakt erfolgende, oftmals stärkere, schneller einsetzende und länger anhaltende Reaktion.

Das Immunsystem ist für seine Aufgaben jede Sekunde und ein Leben lang aktiv. Dieses Abwehrsystem ist nicht selbsterhaltend sondern muss gewissermaßen „gefüttert“ und „betreut“ werden. Ein funktionierendes Immunsystem fällt nicht vom Himmel, sondern entwickelt und erhält sich in dem Maße, wie für seine vollständige Funktionsfähigkeit Sorge getragen wird. In der Haustierhaltung muss der Halter diese Aufgaben übernehmen, weil das Tier weitgehend von seinen natürlichen, arttypischen Ressourcen abgeschnitten ist und in dem Habitat lebt, welches ihm der Halter bereit stellt.

Der Begriff „Immunsystem“ macht bereits deutlich, dass es sich dabei nicht um ein klar abgegrenztes Organ handelt, sondern um ein komplexes, biologisches System aus verschiedenen Organen, Zelltypen und Molekülen.

Ist die Mutter gesund und wurde ihren Bedürfnissen entsprechend versorgt, bekommt das Kaninchen bereits mit seiner Geburt eine intakte, „angeborene“ Immunantwort für den Start in das Leben mit, die auch „unspezifische Immunabwehr“ genannt wird. Mit dem „Kolostrum“ (auch Kolostralmilch oder Erstmilch genannt) erhält es zudem einen „Schuss“ Milch mit einem konzentrierten Gehalt an Enzymen, Vitaminen, Mineralien, Wachstumsfaktoren, Aminosäuren und Antikörpern wie IgA und IgM.

Die Organe bzw. Organsysteme des Immunsystems sind nach heutigem Erkenntnisstand:

  • Thymus
  • Sekundäre, lymphatische Organe
  • Tonsillen (Mandeln)
  • Lymphknoten
  • Milz
  • Appendix vermiformis (Wurmfortsatz des Blinddarms)
  • Peyer-Plaques im Darm.

Bereits mit der Geburt und dem Erreichen der „außermütterlichen“ Welt wird das Neugeborene mit Keimen konfrontiert, die seine Gesundheit gefährden können. Sie stammen im ersten Moment von der eigenen Mutter wie auch dem Nest mit seinem Material. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die „adaptive“ bzw. „spezifische“ Immunabwehr zusätzlich zur unspezifischen sich zu entwickeln und zu arbeiten. Sie wird auch als „erworbenes Immunsystem“ bezeichnet. Dieses reagiert nun auf neue oder veränderte Erreger, die es als „nützlich“ oder „pathogen“ (krankmachend) erkennt und entsprechend akzeptieren oder unschädlich machen muss.

Die angeborene Immunantwort braucht keine lange Anlaufphase sondern reagiert innerhalb von Stunden. Versagt die angeborene Immunität, reagiert innerhalb von vier bis sieben Tagen die erworbene Immunabwehr, indem sie antigenspezifische Zellen bildet, die sich speziell gegen diesen einen Erreger richten.

Tabelle1: Barrieren des Körpers gegen mechanische und physiologische Einflüsse

BarriereFunktion
äußere Hautphysikalische Barrierefunktion gegen das Eindringen von Keimen
AugenBindung und Abtransport von Keimen durch Tränenflüssigkeit
AtemwegeFiltern und Binden von Keimen durch Schleim
MundhöhlepH-Wert des Speichels neutralisiert Nahrung, enthaltene Enzyme üben antimikrobiellen Einfluss aus
MagenMagensäure mit ihrem niedrigen pH-Wert (Salzsäure, Peptide) zerstört viele Mikroorganismen
DarmDarmflora kontrolliert Bakterienwachstum; Darmschleimhaut schützt die Darmwand
NiereHarn sorgt für Abtransport von Schadstoffen (Spülfunktion)

Die erste Barriere gegen Krankheitserreger bilden mechanische und physiologische Verteidigungslinien des Körpers, die dafür sorgen, dass diese erst gar nicht an Orte gelangen, an denen sie Unheil anrichten könnten. Sie binden diese, töten sie unmittelbar ab oder entfernen sie schnell aus dem Körper. An der „zellulären“ Abwehr sind Immunzellen des Körpers beteiligt, die „humorale“ Abwehr wird durch Substanzen gewährleistet, die nicht zellulären Ursprungs sind und vom Körper hergestellt werden können (z. B. Enzyme). Ein Teil des unspezifischen humoralen Immunsystems ist das „Komplementsystem“, welches zur Eliminierung von zellulären Antigenen wie Bakterien beiträgt.

Antikörper bzw. Immunglobuline (Ig) werden von einer Klasse weißer Blutzellen, den B-Lymphozyten, produziert und sind Bestandteil des adaptiven Immunsystems. Antikörpermoleküle bestehen aus Aminosäuren wie „Cystein“ und Sacchariden, sind also keine reinen Proteine, sondern sogenannte „Glykoproteine“2). Die Entwicklung des primären Repertoires von Antikörpern nach der Geburt erfolgt durch Rekombinationen von Nukleotiden, somatischer Hypermutation (Einfügen von Mutationen in die Antikörpergene einer reifenden B-Zelle) und dem Austausch von DNA-Sequenzen im GALT, insbesondere aber im Blinddarm. GALT ist die englische Bezeichnung für „gut associated lymphoid tissue“, die deutsche Übersetzung lautet „darmassoziiertes Lymphgewebe“. Die Darmflora ist dabei wesentlich für die Herstellung und Diversifizierung des ersten Antikörperrepertoires verantwortlich. Die Entwicklung beginnt vor der Geburt, bis zum Alter von 2-3 Wochen verfügen Kaninchen über das Repertoire von Antikörpern wie Neugeborene vor allem an IgG, die von der Mutter über die Plazenta an das Ungeborene übertragen wurden. Das primäre Repertoire entwickelt sich u. a. durch die Milch und die in ihr enthaltenen IgA während der ersten 4-8 Lebenswochen. Im Alter von 10-12 Wochen ist diese Entwicklung abgeschlossen3)4)5).

Tabelle 2: Zelluläre Bestandteile des Immunsystems

ZelltypFunktion
Granulozytenbilden den Großteil der weißen Blutkörperchen (Leukozyten); bei einer Infektion sind vor allem die Werte der stabkernigen, neutrophilen Granulozyten erhöht
MakrophagenFresszellen, die extrazelluläre, große, feste Partikel durch spezialisierte Zellen (Phagozyten) aufnehmen („fressen“); reparieren geschädigte Muskelfasern
KillerzellenLymphozyten, die infizierte (veränderte) Zellen erkennen und vernichten können
Dendritische Zellenüberwachen das Gewebe, präsentieren T-Zellen das Antigen und lösen somit eine spezifische Immunantwort aus
T-Lymphozytenerkennen spezifische Antigene, die ihnen präsentiert werden
T-Helferzellenkoordinieren die Immunreaktion, indem sie Botenstoffe freisetzen, die andere Komponenten des Immunsystems aktivieren (Makrophagen und zytotoxische T-Zellen)
Regulatorische T-ZellenModulation der Immunreaktion und Unterdrückung einer überschießenden Immunreaktion durch Selbsttoleranz
Zytotoxische T-ZellenErkennung und selektive Zerstörung nur der Zellen, die mit Antigenen befallen sind, wodurch das Gewebe geschont wird
B-LymphozytenGrundlage des spezifischen, humoralen Immunsystems; bilden Antikörper und sind damit für die adaptive Immunreaktion verantwortlich, ein Teil entwickelt sich mit Hilfe der T-Helferzellen zu „Gedächtniszellen„, so dass bei einem wiederholten Kontakt mit dem Antigen eine schnellere Immunantwort möglich ist

Das bedeutet, dass junge Kaninchen zwischen der 3. bis 12. Lebenswoche ein eigenes Immunsystem aufbauen müssen, weil das angeborene aufgrund der Umstände nicht mehr ausreicht. Die Zeit zwischen der Abnahme der Wirksamkeit des angeborenen, mütterlichen Immunsystems und dem Aufbau des eigenen wird auch als „Immunitätslücke“ bezeichnet. In dieser Zeit sind Jungtiere durch jede Art von Stress und dem Fehlen essentieller Nährstoffe gefährdet. Ebenso können sich Veränderungen in der Haltung, die mit der Auseinandersetzung mit neuen, fremden Keimen einhergehen, negativ auf die Gesundheit auswirken.

In der Haustierhaltung ist mittlerweile die sogenannte „Frühkastration“ (vor der Geschlechtsreife) von männlichen wie auch vermehrt von weiblichen Jungtieren verbreitet. Unter dem Gesichtspunkt einer störungsfreien Entwicklung des Immunsystems ist dies auf Grund der beschriebenen Fakten abzulehnen, da die Geschlechtshormone das Immunsystem direkt beeinflussen.

Alle Zellen des Immunsystems entstehen aus Stammzellen des Knochenmarks. Die Differenzierung und Reifung von lymphatischen Zellen erfolgt in Organen wie Knochenmark, Thymus, der fötalen Leber und im Blinddarm. Nach der Differenzierung wandern die Lymphozyten durch die Blutgefäße und das Lymphsystem in Richtung der sekundären, lymphatischen Organe (Milz, Lymphknoten und GALT), wo sie zur Vermehrung (Proliferation) angeregt werden. 80-90 % aller Zellen, die Antikörper produzieren, befinden sich in der Schleimhaut des Darmes. Diffuse Ansammlungen von Lymphozyten oder lockere Verbände dieser, Lymphfollikel genannt, findet man im gesamten Magen-Darm-Trakt, der durch die aufgenommene Nahrung besonders häufig mit Keimen und Fremdkörpern in Kontakt kommt. Im Dünndarm sowie im Wurmfortsatz (Appendix vermiformis) existiert organisiertes, lymphatisches Gewebe in Form von 4-6 Peyer-Plaques bzw. Peyerschen Haufen, eine Vereinigung von Lymphfollikeln6).

Die Peyer-Plaques (Peyersche Platten) sind sekundäre Lymphorgane mit Ansammlungen von Zellen des speziellen, erworbenen Immunsystems, die eine wichtige Rolle bei der Infektionsabwehr im Darm und bei der Weiterverbreitung immunologischer Informationen spielen. Hier finden sich auch M-Zellen (Epithelzellen im Darm und den Tonsillen), die Viren und Bakterien durch ihre Zellkörper an die Follikel weiterleiten und so eine Immunantwort auslösen.7)

Abb. 1: Morphologie des organisierten Lymphgewebes im Darm des Kaninchens, nach Fortun-Lamothe, et al., 2004

Wird ein Körper mit pathogenen Keimen konfrontiert, beginnen zahlreiche Mechanismen der verschiedenen, beschriebenen Einrichtungen des Immunsystems zu arbeiten. Die Immunantwort beginnt mit Abwehrzellen des unspezifischen Immunsystems, den Makrophagen. Sie erkennen Keime, nehmen sie auf und transportieren sie in die Lymphgewebe des Immunsystems. Dort werden die Antigene den Immunzellen des spezifischen Immunsystems, also den T- und B-Lymphozyten, präsentiert. Dadurch wird die spezifische Immunreaktion ausgelöst. Die B-Lymphozyten bilden Antikörper, die mit dem Antigen einen Komplex bilden. Dabei werden die Antigene weitgehend neutralisiert. Die Aktivierung und Vermehrung der Lymphozyten und eine gesteigerte Durchblutung führt oft zum Anschwellen von Lymphknoten. Fresszellen des unspezifischen Immunsystems nehmen die Komplexe auf und entfernen sie aus dem Blut. Für die zellvermittelte Antwort sorgt die Aktivierung von T-Lymphozyten, die als zytotoxische bzw. T-Killerzellen Krankheitserreger direkt zerstören. Als T-Helferzellen und regulatorische Zellen beeinflussen sie zudem den Ablauf einer Immunreaktion. B- oder T-Gedächtniszellen versetzen das Immunsystem in die Lage, sich an fremde Oberflächenstrukturen zu erinnern, so dass bei einem erneuten Kontakt mit den Erregern die Immunreaktion schneller verläuft. Das Immunsystem verfügt gewissermaßen über ein „Gedächtnis“.

Das Immunsystem mit all seinen Zellen, Organen und Organverbänden existiert nicht allein und unabhängig im Organismus, sondern steht in Verbindung mit dem Nerven- und Hormonsystem. Informationsmoleküle im Nervensystem sind Neurotransmitter, Neurotrophine, Neuropeptide, Neurohormone und bestimmte Zytokine (Neurozytokine), im endokrinen System Hormone.

Im Immunsystem gehören u. a. Antigene, Antigenrezeptoren auf Lymphozyten, Antikörper, Immunhormone und Zytokine dazu8). So hemmt z. B. das Stresshormon Adrenalin, welches vom Körper bei erhöhter Aktivität freigesetzt wird, die Antikörperproduktion der B-Lymphozyten und beeinflusst auf diese Weise die gesamte Immunreaktion.

Das Immunsystem lebt zum größten Teil von den Nährstoffen, die dem Organismus zur Verfügung stehen. Ein großer Teil von diesen wird als „essentiell“ bezeichnet. Das heißt, sie sind lebensnotwendig und können vom Körper nicht selbst hergestellt werden.

Tabelle 3: Mechanismen der Regulierung des Immunsystems durch spezielle Nährstoffe

MechanismusNährstoff
Entwicklung des ImmunsystemsLinolsäure (ω-6 Fettsäure), Eisen, Vitamin A
Normale Funktion des ImmunsystemsVitamin C, D, A, B2, B12; Folsäure, Zink, Selen, Kupfer
NahrungsimmunitätEisen, Biotin (Vitamin B7)
Änderungen des hormonellen MilieusEnergie, Aminosäuren
Direkter Einfluss auf das ImmunsystemVitamin A, D, E; mehrfach ungesättigte Fettsäuren (ω-3/ω-6-Fettsäuren)
Steigerung der T-ZellaktivitätAminosäuren (Cystein)
Schutz der SchleimhäuteVitamin A, B2; Biotin, Niacin
Schutz von Körperzellen vor oxydativem Stress bei ImmunreaktionenVitamin C, E, B2; Zink, Selen, Kupfer, Mangan
Reduzierung der KrankheitsanfälligkeitVitamin E
Reaktion bei ErkrankungZink, Vitamin A
Physikalische und chemische Einwirkungen des Futters im DünndarmFasern, oxidierte Fette, Lektine
1)
Pschyrembel, W. 2002. Pschyrembel Klinisches Wörterbuch. [CD-ROM] [Hrsg.] Walter de Gruyter GmbH & Co. KG. Hamburg : Porta Coeli Software GmbH, 2002. 9783110165234
2) , 8)
Ferencik, M., et al. 2004. Kompendium der Immunologie. Grundlagen Und Klinik. Wien, NewYork : Springer, 2004. ISBN 978-3-211-25536-0
3)
Lanning, D., et al. 2000. Development of the antibody repertoire in rabbit: gut‐associated lymphoid tissue, microbes, and selection. Immunological reviews. 2000, Bd. 175, 1, S. 214-228
4)
Jensen-Jarolim, E., Schöll, I. und Szalai, K. 2006. Gastrointestinaltrakt. Mukosale Pathophysiologie und Immunologie. Wien, New York : Springer, 2006. ISBN 978-3-211-31792-1
5)
Combes, S., et al. 2013. Engineering the rabbit digestive ecosystem to improve digestive health and efficacy. Animal. 2013, Bd. 7, 9, S. 1429–1439
6) , 7)
Fortun-Lamothe, L. und Boullier, S. 2004. Interactions between gut microflora and digestive mucosal immunity, and strategies to improve digestive health in young rabbits. Proc.: 8th World Rabbit Congress. 2004, S. 7-10
immunsystem/immunsystem.txt · Zuletzt geändert: 2018/10/27 21:58 von andreas

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