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Ohrerkrankungen

Verwandter Artikel: Ohrmikrobiom; siehe auch: Prävalenzen.

Abb. 1: Beschreibung von "Ohrentzündungen" von Emil Felden, 1916In dem Buch „Die Kaninchenzucht“ von Felden, 19161) wurden u. a. „Ohrenentzündungen“ beschrieben, die infolge von Verletzungen oder dem Eindringen von Fremdkörpern entstehen können. Weitere Ursachen wären Ansammlungen von Staub, Schmutz sowie Ohrenschmalz, die den inneren Gehörgang verstopfen. Erkennbar sei die Erkrankung durch Kopfschütteln, Kopfschiefhaltung zur Seite des erkrankten Ohres, dem Reiben der Ohrgegend mit den Pfoten und letztlich durch den Ausfluss von übel riechendem Eiter.

Studien

Jackson et al., 2025

Die Studie2) untersuchte Veränderungen von Ohren bei Zuchtkaninchen gemäß dem britischen Standard des „British Rabbit Council“ (BRC). Es handelte sich um den zweiten Teil einer Untersuchung von britischen Rassekaninchen. Im ersten Teil3) wurden Gebissanomalien untersucht.

Ziel dieser Studie war es, körperbedingte Risikofaktoren für Ohrerkrankungen bei Hauskaninchen zu überprüfen. Bezug genommen wurde dabei vor allem auf zwölf frühere Studien, in denen die Ohrgesundheit von Stehohrkaninchen und Widderkaninchen untersucht wurde. In neun dieser Studien wurde festgestellt, dass Hängeohrkaninchen signifikant häufiger für mindestens eine Ohrerkrankung oder -anomalie anfällig waren.

Die Kategorisierung der Ohrbefunde stellte keine formale Diagnose von Ohrerkrankungen dar, sondern beschrieb 15 Ohranomalien, die von leichten Auffälligkeiten bis hin zu klinisch relevanten Symptomen reichten, sowie Verhaltensreaktionen. Die Daten wurden auf BRC-Kaninchenausstellungen und bei BRC-registrierten Kaninchenzüchtern in England und Schottland erhoben. Die Untersuchung dauerte je nach Reaktionsfähigkeit des Tieres bis zu zehn Minuten. Die Kaninchen wurden vor Ort nicht gewogen. Das rassespezifische Körpergewicht wurde als Mittelwert des, in den BRC-Standards, festgelegten Gewichtsbereichs oder, falls kein Bereich angegeben war, als Einzelwert definiert.

Berechnungen zur Stichprobengröße ergaben, dass die Untersuchung von mindestens 113 Hängeohrkaninchen und 113 Stehohrkaninchen erforderlich gewesen wäre, um Hängeohrkaninchen und Stehohrkaninchen hinsichtlich der Prävalenz von Ohranomalien zu vergleichen. Dabei wurde eine Prävalenz von Ohranomalien von 10% bei Stehohrkaninchen und 25% bei Hängeohrkaninchen mit einer Aussagekraft (Power) von 80% zur Erkennung eines zweiseitigen Effekts mit 95%iger Konfidenz angenommen, die in einer Studie von Chivers et al., 20234) ermittelt wurde. Bei dieser handelte es sich um eine Online-Umfrage. Hätte man z. B. Prävalenzen wie aus der Querschnittsstudie von O’Neill et al., 20245) genommen und nimmt theoretisch an, dass Stehohrkaninchen zu 1% und Widderkaninchen zu 3% an Ohrerkrankungen leiden, wäre eine Stichprobe von jeweils 866 Stehor- und 866 Widderkaninchen nötig gewesen, also insgesamt 1.732 Tiere.

Insgesamt wurden 435 Kaninchen aus 49 verschiedenen Rassen untersucht. Die häufigsten Rassen waren Miniature Lop (n = 71, 16,32%), Netherland Dwarf (n = 55, 12,64%) und Miniature Rex (n = 41, 9,43%). Die Mehrheit der Kaninchen war männlich (n = 275, 63,22%), hatte Stehohren (n = 266, 61,15%) und einen brachyzephalen Kopf (n = 180, 41,38%). Das mittlere Alter der Kaninchen betrug 1,29 Jahre und das mittlere Körpergewicht ausgewachsener Tiere 2,16 kg.

Anomalien wie „Anomaler Gehörgang“, „Gehörgangsstenose“ und „Ausfluss“ (trocken, feucht und klebrig, Krusten oder roter Ausfluss) wurden subjektiv in verschiedene Grade eingeteilt. Im Paper wurden die Anomalien in Bezug auf die Grade nicht mitgeteilt.

Es wurden verschiedene Ohranomalien beobachtet: 183 Kaninchen (42,07%) wiesen eine Gehörgangsstenose auf, und 376 (86,44%) hatten einen flockigen Ausfluss im oberen Gehörgang (die häufigste Art und Lokalisation des Ausflusses). Hängeohrkaninchen schienen für fast alle untersuchten Ohranomalien und Reaktionen prädisponiert zu sein (9 von 11 Variablen), während Brachyzephalie nur mit einer Gehörgangsstenose assoziiert war. Die klinische Relevanz einiger der in dieser Studie erfassten Ohranomalien war unklar. Die Ergebnisse dieser Studie stützten laut Aussage der Autorinnen ihre Hypothese und frühere Erkenntnisse über eine Prädisposition von Widderohren für Ohranomalien und -erkrankungen.

Einige Ohranomalien, die mit der Hängeohrenform einhergehen, hatten eine weniger eindeutige klinische und tierschutzrelevante Bedeutung. Hängeohrkaninchen wiesen signifikant höhere Werte für flockiges Sekret im oberen Gehörgang und feuchtes Sekret im oberen und unteren Gehörgang auf. Ohne zytologische Untersuchung ließ sich nicht feststellen, ob es sich bei diesem Sekret um normales Ohrenschmalz oder um pathologisches Sekret handelt.

Laut den Autorinnen war die klinische und tierschutzrelevante Relevanz einer Stenose unklar. Hängeohrkaninchen wiesen signifikant höhere Stenosewerte auf als Stehohrkaninchen; 86,39% der Hängeohrkaninchen litten unter einer Stenose unterschiedlichen Ausmaßes, verglichen mit 13,91% der Stehohrkaninchen. Das Ausmaß der Stenosen lässt sich nicht nachvollziehen, da auf Grund der fehlenden Rohdaten keine Zuordnung zu den Phänotypen möglich ist.

Als Limitation merkten die Autorinnen an, dass die Studienpopulation möglicherweise nicht alle Rassekaninchen in Großbritannien repräsentiere, da die Tiere nicht zufällig ausgewählt wurden. Die Züchter stellten ihre Kaninchen freiwillig für die Studie zur Verfügung, sodass einige möglicherweise bereits Ohrprobleme bei ihren Tieren kannten.

Rassen, die mit weniger als 20 Tieren in der Auswertung vertreten waren, wurden namentlich nicht erfasst. Die gesamte Auswertung erfolgte nicht rassebezogen, sondern einfach als „Stehohr“ oder „Hängeohr“, so dass eine Zuordnung eventueller gehäufter Anomalien zu Rassen nicht möglich ist.

Otitis

OE – Otitis externa, Außenohrentzündung
OM – Otitis media, Mittelohrentzündung
OI – Otitis interna, Innenohrentzündung

Liatis et al., 20246) untersuchten retrospektiv, welche Erkrankungen mit einer Kopfschiefhaltung – ein Symptom einer Gleichgewichtsstörung – einhergehen können. Die Studienpopulation umfasste 73 Heimkaninchen mit Kopfschiefhaltung, die zwischen Januar 2009 und Dezember 2020 an einer Tierklinik in England vorgestellt worden sind. Für 36 (49.3%) Kaninchen lagen Kopf-CT und E. cuniculi-Serologie und/oder eine postmortale histopathologische Untersuchung (Encephalitozoonose), sowie eine finale Diagnose vor; die häufigsten Ursachen für Kopfschiefhaltung waren: 15/36 EC (41.7%), 13/36 EC und OMI (36.1%), 8/36 OMI (22.2%).

Behandlungsmöglichkeiten

Chirurgische Behandlung

Tabelle: Chirurgische Behandlungsmöglichkeiten von Otitis media und/ oder externa

Methode Referenz Anmerkungen
Partial/ lateral ear canal ablation, PECA/ LECA Willems et al., 20257)
(/ 8))
Retrospektive Fallserie: 25 Kaninchen (25/25 Widderkaninchen; zwischen zwei und neun Jahre alt); häufigste, vom Besitzer berichtete Symptome: keine (17/25), Schwellungen am Ohrgrund (7/25), Appetitstörung (3/25), Teilnahmslosigkeit (3/25); zusätzlich festgestellte Krankheitsbilder: Zahnerkrankungen (9/25), Übergewicht (5/25), Schnupfen (4/25), Dakryozystitis (4/25), Harnwegserkrankungen (4/25); präoperativ mindestens 1 mit Weichgewebe gefüllter äußerer Gehörgang mittels CT bestätigt; Datenherkunft: 2 Institutionen (Hannover u. Posthausen, Deutschland);
Prävalenz-Zeitraum: 2015-2023
Favier et al., 20259) Retrospektive Fallserie: 26 Kaninchen (23/26 Widderkaninchen; zwischen sechs Monate und 6 Jahre 6 Monate alt); häufigste Symptome: Gleichgewichtsstörung (12/26), Gesichtslähmung (9/26), Ohrstenose (7/26), Appetitstörung (6/26), Niesen (5/26); Otitis media präoperativ mittels CT bestätigt (weiters festgestellt: 2x Zahnabszesse, 1x intrakranieller Abszess); Datenherkunft: 1 Tierklinik (Frankreich);
Prävalenz-Zeitraum: 02/2021-09/2023
Partial ear canal ablation and lateral bulla osteotomy, PECALBO Eatwell et al., 201310) Fallserie: 6 Kaninchen (6/6 Widderkaninchen; zwischen zwei und vier Jahre alt); Symptome: Schwellungen am Ohrgrund, gelegentliches Kopfschütteln und Kratzen; Otitis media präoperativ mittels CT bestätigt;
Zeitraum: 09/2011-08/2012
Dobberstein et al., 202311)20 Kaninchen (12/2009-09/2021)
Willems, 202512) Retrospektive Fallserie: 32 Kaninchen (32/32 Widderkaninchen) mit bestätigter Otitis media; Symptome: keine (2/32), Fazialisspasmus und verminderter Lidreflex (11/32), Schwellung am Ohrgrund (8/32), Torticollis (7/32), reduziertes Allgemeinbefinden (6/32), Ataxie (2/32), Pruritus (2/32), Inappetenz (2/32), Epiphora (2/32), Kopfscheue (1/32) oder aggressives Verhalten gegenüber Artgenossen (1/32); Komorbiditäten: keine (3/32), Zahnerkrankungen (16/32), E.C. (8/32), Schnupfen (4/32), Harnwegserkrankungen (7/32), Adipositas (3/32), Ektoparasiten (3/32), Tumorerkrankungen (3/32), Treponematose (1/32), Augenerkrankungen (1/32) oder chronische Enteritis (1/32);
Prävalenz-Zeitraum: 01/2015-12/2020

Prospektive Fallserie: 6 Kaninchen (6/6 Widderkaninchen); Symptome: Inappetenz (3/6), Torticollis (2/6), Fazialisspasmus (3/6), verminderter Lidreflex (3/6), Umfangsvermehrung der Ohrbasis (4/6), Nystagmus (3/6), Ataxie (2/6), reduziertes Allgemeinbefinden (2/6), Ohrschütteln (1/6) oder Abklappen der Ohrmuschel (1/6); Komorbiditäten: keine (3/6), E.C. (2/6), Zahnerkrankungen (1/6), Harnwegserkrankungen (1/6) oder Dacryozystitis (1/6);
Prävalenz-Zeitraum: 07/2021-05/2024

Datenherkunft: 1 Tierklinik (TiHo Hannover, Deutschland)
Lateral ear canal resection and bulla osteotomy with marsupialization, LECARBOM Monge et al., 202313) Retrospektive Fallserie: 42 Kaninchen (33/42 Widderkaninchen; zwischen 7 Monate und 8 Jahre alt), 48 operierte Ohren; Vorstellungsgründe: 29/42 Kopfneigung, Gesichtslähmung (10/48 Ohren), 8/42 Otitis externa, 2/42 chronischer Schnupfen; Otitis media präoperativ mittels CT bestätigt (weiters: bei 38/42 Tieren Otitis externa); Datenherkunft: 1 Tierklinik (Frankreich);
Prävalenz-Zeitraum: 02/2011-09/2021
Total ear canal ablation, TECA
Total ear canal ablation and lateral bulla osteotomy, TECALBO Chow et al., 201114) Fallbericht: 1 Miniature Rex (sieben Jahre alt)

3 5 978

1)
Felden, E. 1916. Die Kaninchenzucht. 2. Aufl. Stuttgart : Ulmer.
2)
Jackson, M. A., Betts, M., Hedley, J., & Burn, C. C. (2025). Rabbit conformational predispositions to ear abnormalities: field study of a pedigree population. The Veterinary Journal, 106497. https://doi.org/10.1016/j.tvjl.2025.106497
3)
Jackson, M. A., Betts, M., Hedley, J., & Burn, C. C. (2025). Rabbit Dental Abnormalities: Investigation of Conformational Risk Factors in a Pedigree Rabbit Population. Animals: an Open Access Journal from MDPI, 15(7), 980. https://doi.org/10.3390/ani15070980
4)
Chivers, B. D., Keeler, M. R., & Burn, C. C. (2023). Ear health and quality of life in pet rabbits of differing ear conformations: A UK survey of owner-reported signalment risk factors and effects on rabbit welfare and behaviour. PLoS One, 18(7), e0285372. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0285372
5)
O'Neill, D. G., Williams, A., Brodbelt, D. C., Church, D. B., & Hedley, J. (2024). Conformation‐associated health in pet rabbits in the UK: A VetCompass cohort study. Veterinary Record, 195(5). https://doi.org/10.1002/vetr.4396
6)
Liatis, T., Makri, N., Czopowicz, M., Richardson, J., Nuttall, T., & Suñol, A. 2024. Otitis media/interna and encephalitozoonosis are the most common causes of head tilt in pet rabbits in the UK: 73 cases (2009‒2020). Veterinary Record, 195(1), e4267.
7)
Willems, A., Hetterich, J., Thöle, M., Pees, M., Fehr, M., & Reuschel, M. 2025. Evaluation of Lateral Ear Canal Ablation (LECA) as a Surgical Treatment Option for External Ear Canal Disease in Lop-Eared Pet Rabbits (Oryctolagus cuniculus). Animals, 15(8), 1142.
8) , 12)
Willems, A. 2025. Ohrerkrankungen bei Hauskaninchen – Untersuchungen zu klinischem Erscheinungsbild, Diagnostikverfahren mit besonderem Fokus auf die Computertomographie, chirurgischen Therapieoptionen sowie deren Outcome bei Otitispatienten. Dissertation. Tierärztliche Hochschule Hannover. Klinik für Heimtiere, Reptilien und Vögel.
9)
Favier, S., Rafael, P., Zoller, G., & Ferrand, F. X. 2025. Surgical management of otitis media in pet rabbits by partial ear canal ablation without bulla osteotomy: a retrospective study of 26 cases. Journal of the American Veterinary Medical Association, 1(aop), 1-7.
10)
Eatwell, K., Mancinelli, E., Hedley, J., Keeble, E., Kovalik, M., & Yool, D. A. 2013. Partial ear canal ablation and lateral bulla osteotomy in rabbits. Journal of Small Animal Practice, 54(6), 325-330.
11)
Dobberstein, R. E. A., Brisson, B. A., McMillan, S., Oblak, M. L., Singh, A., Dutton, C. J., & Zhang, M. 2023. Perioperative complications and outcomes following partial ear canal ablation and lateral bulla osteotomy in pet rabbits: 20 cases (2009-2021). Journal of Small Animal Practice, 64(5), 350-358.
13)
Monge, E., Donnelly, T. M., Coutant, T., Bennett, R. A., & Pignon, C. 2023. Lateral ear canal resection and bulla osteotomy with marsupialization to treat otitis media in rabbits: forty‐eight procedures. Veterinary Surgery, 52(8), 1100-1111.
14)
Chow, E. P., Bennett, R. A., & Whittington, J. K. 2011. Total ear canal ablation and lateral bulla osteotomy for treatment of otitis externa and media in a rabbit. Journal of the American Veterinary Medical Association, 239(2), 228-232.
krankheiten/ohrerkrankungen.txt · Zuletzt geändert: von andreas

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