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wildkaninchen:australien

Australien

In Australien kommen Kaninchen hauptsächlich südlich des Wendekreises des Steinbocks (Tropic of Capricorn) vor. Die Baue geben ihnen hier Schutz vor Räubern und klimatischen Einflüssen, so dass sie auch in sehr trockenen, heißen Gebieten siedeln. Im Südwesten und Westen sowie in Tasmanien, wo große Populationen existieren, leben sie vorwiegend oberirdisch.

Die ersten Hauskaninchen wurden 1788 in Australien eingeführt, wo sie im südöstlichen Tasmanien bis 1827 zu einigen Tausenden verwilderten. Anfang der 18. Jhr. wurden verschiedentlich Hauskaninchen in und um Sydney sowie weiteren Teilen Australiens freigelassen, aber keine führte zur Etablierung von Populationen abseits menschlicher Siedlungen.1)

1859 kam Thomas Austin mit einer Schiffsflotte und 24 Hauskaninchen auf dem australischen Kontinent an. Die Tiere wurden im Barwon Park, einem Besitz in der Nähe von Geelong in Virginia gehalten. Auf Grund der guten Bedingungen und Hege vermehrten sie sich dort rasch. Von dem Besitzer wurden einige Tiere an Freunde und Kollegen weitergegeben, wobei es sich nicht nur um domestizierte, sondern auch um wilde Kaninchen handelte. 9 Jahre nach ihrer Ankunft wurden im Barwon Park bereits 14.253 Kaninchen erlegt. Von Geelong aus verbreitete sich das Kaninchen dann mit einer Geschwindigkeit von 15 100 km/Jahr. Nach 50 Jahren erreichten sie die Westküste am Indischen Ozean. Auf dem Höhepunkt ihrer Landnahme betrug die Zahl der Tiere wohl an die 500 Millionen. Sie okkupierten fast alle Landstriche Australiens, von den Schneefeldern der Australischen Alpen bis zu den Wüsten im Landesinneren. Aufgehalten wurde sie nur dort, wo ökologische Faktoren gegen sie waren: Ozeane und tropische Temperaturen.2)

Beobachtungen zeigen eine Anpassung des Kaninchens an die jeweiligen Umgebungsbedingungen: dunkleres Fell und kürzere Gliedmaßen in kühler und feuchter Umgebung und helles Fell und längere Gliedmaßen in heißeren, mehr ariden Gebieten. Diese Anpassungen erfolgten innerhalb von 80 Generationen nach ihrer Ankunft in Australien. Einige dieser Anpassungen sind genetisch durch die natürliche Selektion bedingt, während andere eine direkte Antwort des Organismus auf die Umweltbedingungen während der Entwicklung sind. Weitere Aspekte variieren ebenso mit den Umweltbedingungen: die Geburtenrate (28 Jungtiere/Häsin/Jahr) liegt in trockenen Gebieten ebenso höher wie die Sterberate, während in kühleren, feuchten Gebieten die Geburtsrate (14 Jungtiere/Häsin/Jahr) und Sterberate niedriger liegt. Die unterschiedliche Fruchtbarkeit ist wohl eher ökologisch als genetisch bedingt. In trockeneren Gebieten des Landes wächst die Population rapide an und alles Fressbare wird vernichtet. Bei länger anhaltender Trockenheit wächst zu wenig Vegetation nach und die Tiere sterben auf Grund von Nahrungs- und Wassermangel.

Obwohl nur bis zu 10% der geborenen Jungtiere das erste Lebensjahr überleben, hat sich das Kaninchen in Australien massenhaft vermehrt. Dafür werden verschiedene Gründe verant-wortlich gemacht: die Möglichkeit, Baue zu graben, die ihnen in trockenen und halbtrockenen Gebieten mit Kühle und Feuchtigkeit ein Überleben ermöglichen. Ein weiterer Grund ist das trockene Klima in Australien, wodurch bestimmter Parasiten und Krankheiten fehlen, die es in anderen Gebieten der Erde, wie zum Beispiel Europa, gibt. Letztlich kommen hier nur wenig Räuber wie Wiesel und Frettchen vor, die Jungtiere in den Bauen töten könnten. Kaninchen leben nicht überall in Bauen, eine überirdische Lebensweise führen sie im Buschland im Süden, im südwestlichen Teil von West-Australien und in einigen Gebieten Tasmaniens.

Die enorme Ausbreitung des Kaninchens in Australien gelang nicht allein wegen seiner Fruchtbarkeit, auch der Mensch half dabei mit. Die Veränderung der Umwelt machte es dem Kaninchen leichter, sich neue Lebensräume zu erschließen. So folgten sie den ersten Siedlern, die vor allem die Flussgebiete nutzten. Die Ausbreitung variiert zwischen 15 km/Jahr in waldigen Gebieten östlicher und südlicher Landesteile und 300 km/Jahr entlang von Bewässerungskanälen. In Neuseeland betrug die Ausbreitungsgeschwindigkeit rund 16 km/Jahr.3) Außerdem wurden nahrhaftere, einjährige Gräser und Kräuter aus dem Gebiet des Mittelmeeres eingeführt, deren saisonaler Wachstumszyklus mit dem der Aufzucht von Jungtieren der Kaninchen übereinstimmte. Die nördliche Ausbreitung nach Queensland folgte einer Verbesserung der Qualität der Weiden und dem Anpflanzen von Wintergetreide. Unabhängig davon, wo sie leben, bevorzugen Kaninchen weiche, ballaststoffarme, sehr nahrhafte einjährige Gräser, Leguminosen und Kräuter.4)

Weit verbreitet sind Kaninchen in Australien südlich des Wendekreises des Steinbocks. Sie kommen dort in dichten Wäldern, auf Prärieböden und bis in Höhen von 1500 m vor. Das Pflanzenwachstum in den tropischen Gebieten erfolgt jedoch zur falschen Zeit für die Fortpflanzung. In den trockenen Gebieten müssen Kaninchen mit kurzen Fortpflanzungszeiten, hohen Temperaturen im Bau, trockenen Weiden auf unfruchtbaren Böden sowie Mineralmangel bzw. unausgewogenheit kämpfen. Weitere Probleme sind das Wassergleichgewicht und die Thermoregulation.5)

In Zeiten anhaltender Trockenheit brechen die Populationen oft dramatisch ein. In Neu Süd Wales überlebten z. B. einige Tiere in der Nähe von Sümpfen in sandigen Gegenden und in der Nähe von Wasserkanälen auf steinigen Böden. Alle anderen Populationen in umliegenden, sandigen Gebieten starben aus. Der Rückzug in steinige Gebiete war der Tatsache geschuldet, dass es dort keine Füchse und Katzen gab (Myers, et al., 1975). Die häufigsten natürlichen Todesursachen für Kaninchen in Australien sind Wassermangel, Parasiten und Raubtiere wie Dingos, Greifvögel, Warane, Füchse und wilde Katzen. Dazu kommen „Kaninchen-Managementprogramme“ wie die Myxomatose als vom Menschen 1950 eingeführte Seuche im Kampf gegen die hohe Population. Nur selten werden Kaninchen in Australien älter als 6 Jahre, die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 2-3 Jahre.6) Das höchste Lebensalter wurde mit 7,6 Jahren für ein weibliches Tier in Südaustralien dokumentiert.7)

Der Einfluss der Myxomatose auf die Kaninchenbestände ist in den halbtrockenen Gebieten Australiens am größten, weil dort jahreszeitlich bedingt Moskitos als Überträger des Virus reichlich vorhanden sind. 1968 wurde zusätzlich der Kaninchenfloh „Spilopsyllus cuniculi“ eingeführt, der besonders die Populationen in Tasmanien, auf Hochebenen und im südlichen Australien dezimierte. 1993 wurde ein weiterer Parasit, der Spanische Floh „Xenopsylla cunicularis“ eingeführt, der besser an Trockenheit angepasst ist. Besonders für Jungtiere in feuchteren Küstenregionen ist die Kokzidiose eine Ursache für hohe Sterblichkeitsraten, wobei Jungtiere häufiger erkranken, wenn mehrere erwachsene Weibchen in einer Gruppe leben. Darm- und Fadenwürmer werden besonders in Kaninchen gefunden, die in niederschlagsreichen Gebieten leben. Vor allem mit Myxomatose infizierte Tiere sind von Parasiten befallen, da ihr Immunsystem schwach ist.

Die bisher höchste Region mit Wildkaninchen wurde von Flux, 20018) auf dem Mount Ruapehu, im zentralen North Island von Neuseeland in 1800 m Höhe festgestellt. Zurückgeführt wurde die Besiedelung des relativ kahlen, unwirtlichen Ortes auf eine niedrige Schneedecke nach Vulkanausbrüchen in den Jahren 1995 und 1996 und eventuell auf eine generelle Klimaerwärmung.


2 1 114

1)
Stodart, E. und Myers, K. 1964. A Comparison of Behaviour, Reproduction, and Mortality of Wild and Domestic Rabbits in Confined Populations. CSIRO Wildl. Res. 1964, 9, S. 144-159
2)
Richardson, B. J. 2001. New challenges to health: the threat of virus infection. In: G. L. Smith, et al. New challenges to health: the threat of virus infection. Cambridge : Cambridge University Press, 2001
3)
Bonino, N. und Soriguer, R. 2009. The invasion of Argentina by the European wild rabbit (Oryctolagus cuniculus). Mammal Rev. 2009, Bd. 39, 3, S. 159–166
4)
Myers, K. und Bults, H. G. 1977. Observations on changes in the quality of food eaten by the wild rabbit. Australien Journal of Ecology. 1977, 2, S. 215-229
5) , 6)
Williams, K., et al. 1995. Managing Vertebrate Pests: Rabbits. [Hrsg.] Bureau of Resource Sciences/CSIRO. Canberra : Australian Government Publishing Service, 1995. ISBN 0-644-29623-2
7)
Peacock, D. E. und Sinclair, R. G. 2009. Longevity record for a wild European rabbit (Oryctolagus cuniculus) from South Australia. Australian Mammalogy. 2009, Bd. 31, 1, S. 65-66
8)
Flux, J. E. C. 2001. Rabbits (Oryctolagus cuniculus) on Ruapehu at 1800 m. New Zealand Journal of Zoology. 2001, Bd. 28, 2, S. 429-430
wildkaninchen/australien.txt · Zuletzt geändert: 2023/09/27 20:23 von andreas

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