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Hypothese

Eine Hypothese bzw. These im wissenschaftlichen Sinn ist eine Annahme oder Behauptung, die belegt werden muss. Sie enthält zunächst Erklärungen, deren Wahrheitsgehalt bewiesen werden muss. In wissenschaftlichen Studien sind Arbeitshypothesen Teil der theoretischen Phase.

Kann eine Hypothese belegt bzw. bestätigt werden, gilt sie als verifiziert. Können Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeiten eine Hypothese nicht bestätigen, gilt sie als widerlegt bzw. falsifiziert.

Das Ergebnis einer verifizierten Hypothese wird als Evidenz bezeichnet.

Eine Hypothese muss statistisch abgesichert werden, was mittels der Erhebung relevanter Daten und deren Auswertung mit einer geeigneten Testmethode geschieht.

In Studien bezüglich der "Qualzucht" von Hauskaninchen wird häufig die Annahme bzw. Vermutung als Nullhypothese H0 formuliert, z. B.: „Kaninchen mit hängenden Ohren leiden häufiger an Ohrerkrankungen als Kaninchen mit stehenden Ohren“. Die Alternativhypothese H1 wäre dann: „Kaninchen mit hängenden Ohren leiden nicht häufiger an Ohrerkrankungen als Kaninchen mit stehenden Ohren“. Können empirische Ergebnisse die Nullhypothese belegen, wäre diese verifiziert (bewiesen) und die Alternativhypothese würde abgelehnt werden. Maßgeblich dafür ist die Qualität der Daten bzw. die Statistik, mit der eine Hypothese verifiziert oder falsifiziert wird.

Von verschiedenen privaten Organisationen werden in Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen und dem Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk verschiedene „Qualzuchthypothesen" verbreitet, die nicht bewiesen bzw. widerlegt sind.

Beispiel 1, Johnson & Burn, 2019

In einer Studie von Johnson & Burn, 2019 wurden z. B. folgendes formuliert: „We hypothesised that if the lop-eared phenotype leads to functional impairment, there would be significantly more aural pathology, such as ear canal stenosis, cerumen accumulation and inflammation and dental pathology, such as incisor overgrowth and molar spurs, in lop-eared rabbits than in erect-eared rabbits.“1) (Übersetzung: Wir stellten die Hypothese auf, dass, wenn der Hängeohr-Phänotyp zu einer funktionellen Beeinträchtigung führt, bei Hängeohr-Kaninchen signifikant mehr Pathologien des Gehörs, wie z. B. Gehörgangsverengung, Cerumenansammlung und Entzündungen, sowie Zahnpathologien, wie z. B. zu lange Schneidezähne und Backenzahnhaken, auftreten würden als bei Kaninchen mit aufrechten Ohren).

Als Ergebnis wurde festgestellt: „The results from this research support the hypothesis that lop-eared rabbits have more dental and aural pathology than erect-eared rabbits. This brings into debate the ethics of breeding and buying lop-eared rabbits, as they may be more likely to suffer from these conditions, which can be painful and often chronic or recurrent.“2) (Übersetzung: Die Ergebnisse dieser Untersuchung stützen die Hypothese, dass Hängeohrkaninchen häufiger an Zahn- und Gehörkrankheiten leiden als Kaninchen mit aufrechtem Ohr.).

Die Ergebnisse würden die Hypothese stützen, aber nicht beweisen. Der Grund dafür liegt in der Methodik der Studie. Es wurden 30 Tiere (15 Stehohr-, 15 Widderkaninchen) in einem Tierheim untersucht, die von der Leiterin ausgesucht wurden. Die Ergebnisse können somit nicht repräsentativ für eine Gesamtpopulation von Hauskaninchen sein, was von den Autorinnen auch selbst so festgestellt wurde: „The use of a rescue population may of course not represent the general population of pet rabbits.“3) (Übersetzung: Die Verwendung einer Tierheimpopulation kann natürlich nicht die allgemeine Population von Heimkaninchen repräsentieren.)

Die Ergebnisse dieser Studie werden in aktuellen Qualzuchtkampagnen benutzt, um eine höhere Anfälligkeit von Widderkaninchen im Vergleich zu Stehohrkaninchen belegen zu wollen.

Beispiel 2, O'Neill et al., 2024

In einer Studie von O'Neill et al, 2024 wurde folgende Hypothese formuliert: „Based on previously published results,4) the current study hypothesised that lop-eared rabbits have a higher prevalence of dental and aural disorders than erect-eared rabbits.“5) (Übersetzung: Auf der Grundlage früher veröffentlichter Ergebnisse (von Johnson & Burn, 2019) wurde in der aktuellen Studie die Hypothese aufgestellt, dass Widderkaninchen häufiger an Zahn- und Gehörerkrankungen leiden als Kaninchen mit aufrechten Ohren.)

Die Studienpopulation umfasste alle Kaninchen, die im Jahr 2019 in 1.224 Kliniken, die am britischen VetCompass-Programm teilnahmen, tierärztlich betreut wurden. Dafür standen die Datensätze von 162.017 Heimkaninchen zur Verfügung. Von den insgesamt 162.017 Datensätzen wurde eine zufällige Stichprobe von 3.933 Tieren (2,43%) gezogen, um Aufzeichnungen über die Sterblichkeit und Erkrankungen auszuwerten. Als überraschend wurde von den Autoren festgestellt, dass die Ergebnisse der Studie nicht die Hypothese stützten, wonach Hängeohrkaninchen im Vergleich zu Stehohrkaninchen eine höhere Prävalenz von Ohrenkrankheiten aufweisen: „The current results did not support the hypothesis that lop-eared rabbits have a higher prevalence of aural disease compared with erect-eared rabbits. This is surprising considering the increased risk of aural pathology that has been reported by some previous studies.“6).

Eine weitere Feststellung lautete: „The lack of an association between lop-eared conformation and dental disease contrasts with the results from a study of a small population of rescue rabbits that reported approximately 23 times and 12 times higher odds of incisor pathology and molar overgrowth in lop-eared rabbits than in erect-eared rabbits, respectively, although that study was limited by a very small sample size of only 30 rabbits and perhaps suggests greater caution is needed when attempting to generalise from datasets of rabbits with high selection bias to the wider rabbit population.“ (Übersetzung: Das Fehlen eines Zusammenhangs zwischen der Form von Hängeohren und Zahnerkrankungen steht im Gegensatz zu den Ergebnissen einer Studie an einer kleinen Population von Tierheim-Kaninchen, die eine etwa 23-mal bzw. 12-mal höhere Wahrscheinlichkeit für pathologische Schneidezähne und überlange Backenzähne bei Hängeohren im Vergleich zu Kaninchen mit aufrechten Ohren ergab, obwohl diese Studie durch eine sehr kleine Stichprobengröße von nur 30 Kaninchen begrenzt war. Deshalb sei bei der Verallgemeinerung von Datensätzen von Kaninchen mit starker Selektionsverzerrung (subjektive Auswahl der Stichprobe) auf die gesamte Kaninchenpopulation größere Vorsicht geboten.)

Die Stichprobe in der Studie von O'Neill et al., 2024 kann als repräsentativ angesehen werden, womit verschiedene Qualzuchthypothesen widerlegt (falsifiziert) wurden.

Die Studie von O'Neill et al., 2024 wird als Quelle im Merkblatt Nr. 177) der QUEN gGmbH aufgeführt, ohne darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse wesentliche Hypothesen in diesem Merkblatt widerlegt.

Methodenvergleich der 2 Beispiele

In der Tabelle sind Daten der Methodik der zwei vorgenannten Beispiele aufgeführt.

Johnson & Burn, 20198)O'Neill et al., 20249)
Studientypretrospektive Fallserieretrospektive Kohortenstudie
(Querschnittsanalyse)
Datenherkunft1 Tierheim1.224 Tierkliniken
Prävalenzzeitraum1 Tag1 Jahr (2019)
Grundgesamtheit, n30162.107
Stichprobe, n303.933
Auswahl der Stichprobenicht zufälligzufällig

Die Kohortenstudie mit einer Querschnittsanalyse von O'Neill et al., 2024 ist die einzige Art von Studie, die echte Prävalenzraten liefern kann.10)


1 0 381

1) , 2) , 3) , 4) , 8)
Johnson, J. C., & Burn, C. C. 2019. Lop‐eared rabbits have more aural and dental problems than erect‐eared rabbits: a rescue population study. Veterinary Record, 185(24), 758-758. https://doi.org/10.1136/vr.105163
5) , 6) , 9)
O'Neill, D. G., Williams, A., Brodbelt, D. C., Church, D. B., Hedley, J. 2024. Conformation-associated health in pet rabbits in the UK: A VetCompass cohort study. Vet Rec. 2024;e4396. https://doi.org/10.1002/vetr.4396
7)
Merkblatt Kaninchen Typ Widder, QUEN-Merkblatt Nr. 17, Bearbeitungsstand 02.08.2024. Online, Abruf am 26.01.2025 von: https://qualzucht-datenbank.eu/merkblatt-kaninchen-typ-widder/
10)
Cockcroft, P. D., Holmes, M. A. Handbook of evidence-based veterinary medicine. Blackwell Publishing Ltd. ISBN 978-1-4051-0890-4
hypothese.txt · Zuletzt geändert: von andreas

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