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fuetterung:geschichte

Historie

Im Laufe der Zeit hat sich die Fütterung der Kaninchen stark verändert. Einen bedeutenden Einschnitt stellte die Einführung von industriellen Mischfuttermitteln dar. Diese kamen anfangs noch als Grundfutter ohne Beimischungen, später mit zusätzlichen Vitamin- und Mineralzusätzen auf den Markt. Bis dahin wurden Kaninchen noch überwiegend mit natürlichen Futtermitteln ernährt.


Aus eigener Erfahrung kennt der Autor die Kaninchenhaltung der Großeltern auf dem Dorf in Ställen. Die Kaninchen wurden für den eigenen Bedarf in Ställen gehalten und zu besonderen Anlässen geschlachtet. Im Sommer wurden sie auf umzäunte Wiesenstücke gesetzt. Die Ernährung erfolgte von Frühjahr bis Herbst zum größten Teil mit frischem Grün von der Wiese, welches vom eigenen Grundstück oder umliegenden Feldern und Wiesen gesammelt wurde. Ergänzt wurde es mit Resten aus der Küche wie gedämpften (gekochten) Kartoffeln, Kartoffelschalen, dem Grün vom Gemüse, Gemüseresten, Getreide und Kleien von Bauern mit Schweine- oder Großviehhaltung sowie Stroh und Heu. Von Rohfasergehalten und Krankheiten war, zumindest meinen Großeltern, damals so gut wie nichts bekannt. Für sie stellten die Kaninchen einen großen Wert dar - dementsprechend war es gern gesehen, wenn sich auch die Enkel an der kostenlosen Verpflegung der Tiere mit frischem Grün beteiligten.


Im 17. Jahrhundert ernährten sich frei- oder in Gehegen lebende Kaninchen von frischem Grünfutter, nur im Winter wurden sie hauptsächlich mit Heu, Stroh, Weidenzweigen, Hafer, (Weizen-)Kleie, Kohl, Möhren und Rüben zugefüttert1).

Im 5. Band des „Grossen vollständigen Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste“ von Zedler, 17332) wurde von „Gras, Heu, und allerley Kräutern und Wurzeln […] Wurzeln der Bäume, Stauden und anderer Gewächse..Getreide […] Laub oder abgefallenes Obst, auch Wachholder, und andere Beeren […] Olivenblätter“ als Nahrung wilder und domestizierter Kaninchen berichtet.

LeClerc de Buffon, 17753) schrieb, dass domestizierte Tiere mit Weizen und Kleien gefüttert wurden, außerdem mit Heu und Wacholderbeeren, Blättern und Rinden. Weiterhin wurden die Tiere mit Hafer und Spreu, Kohl, Petersilie, Distelkraut, Pappeln und vielem „mehr vom Felde“ ernährt.

Abb. 1: "Anweisung zur Angorischen oder Englischen Kaninchenzucht" von Pfarrer Mayer aus dem Jahr 1789Pfarrer Mayer, 17894) stellte seine, aus heutiger Sicht, geradezu poetische Sichtweise zur Fütterung des Kaninchens folgendermaßen dar: „Von ihrer Nahrung also zuerst, welche sehr mäßig und wohlfeil ist! Im Sommer nähren sie sich blos von allen Arten Gras und Kräutern, wie sie auf unseren Wiesen wachsen; und wenn sie die eine Art lieber als die andere fressen – ist dies etwa so besonders? Verhält sich das nicht eben so mit allen andern Geschöpfen, selbst den Menschen nicht ausgenommen, der unter allen am meisten die guten Bissen liebt? Warum will man denn nun just gegen diese nützlichen Geschöpfe allzu sparsam seyn? Wenn man also Klee hat, der doch in unsern Tagen überall zu haben ist, warum will man ihnen nicht manchmal eine gute Mahlzeit davon geben, da er doch nur gleichen Werth mit dem übrigen Wiesengrase hat? Eben so verhält sichs mit den Blättern von allen Arten Kraut oder Kohl und Spinat, welche sie sehr gern fressen. Man überlege indessen, wie weise auch hierin die Vorsehung handelte, sie, die für jedes lebendige Wesen, den Tisch mit den ihm eigenen Gerichten besezte – daß sie den Instinkt unter allen Thieren so bewunderungswürdig, sogar in Rücksicht der Nahrungsmittel, einrichtete, daß keins dem andern zur Last wird, oder ihm, indem es sich hier befindet, einen merklichen Schaden und Nachtheil verursacht! Denn so gerne diese Thiere auch Klee, Kraut und Kohl fressen, so sind ihnen selbst die am wenigsten geschäzten Kräuter doch noch lieber. Unter diese Kräuter rechne ich die sogenannten Mußdisteln, oder Haasenkohl, den Wegerich, oder das Weggras (ein niedriges auf der Erde hinkriechendes Kräutich), den Erdrauch und alle Arten Unkraut, wovon wir unsere Felder gern reinigen lassen, wenn es gewisse Thiere nur wegfressen wollen. Die Kaninchen würden also zuverläßig, wenn sie auf dem Felde wären, vielmehr eine Wohltat, als eine Last für unsere Gärten und Felder sein.“.

Abb. 2: "Die Kaninchenzucht" von Martin Fries aus dem Jahr 1872Fries beschrieb 18725) für die Zucht und Haltung von Kaninchen auch sehr ausführlich deren Fütterung: „Das der Natur des Kaninchens am besten zusagende Futter ist im Sommer das Grünfutter, welches in jeder Oekonomie und Gärtnerei nach Bedarf gewonnen werden kann. […] Wenn man den Kaninchen dagegen immer trockenen Klee, Gräser und Gartengewächse, gesunde Gewürzpflanzen vorlegt, wo werden sie sich dabei wohl befinden, freudig fortwachsen und fett werden und die Mutterthiere werden sehr fruchtbar sein und viele und schöne Junge liefern. […] Die Futterstoffe, womit die Kaninchen ernährt werden, sind in den Sommermonaten insbesondere Gras, Klee, Luzerne und sonstige Pflanzen, wobei sogar die Gewürzpflanzen nicht ausgeschlossen, sondern sehr als solche zu empfehlen sind.“ Aufgeführt wurden Gräser und Kräuter, „welche den Kaninchen zur frühzeitigsten und gesundesten Nahrung gereichen und die besonders wegen ihres Wohlgeruches beachtet und angebaut zu werden verdienen“. Dabei handelte es sich um französisches, englisches und italienisches Raygras, Goldhafer, Wiesenfuchsschwanz, Wiesenschwingel, Ruchgras, Honiggras, Wiesenkümmel, Löwenzahn, Schafgarbe, Tausendguldenkraut, Waldmeister, Hirsegras, Baldrian, Engelwurz, Arnika, Wiesensalbei, Fenchel, Majoran, Schlüsselblume und Pimpinelle. Als Futterkräuter wurden empfohlen Rot- und Weißklee, Luzerne, Esparsette, Mais, Hirse, Mohrenhirse, Buchweizen, Futterwicke, Spargel und Gänsedistel. Weiterhin wurden noch als Gewürz- und Arzneipflanzen Bitteklee, Zitronenkraut, Wildes Stiefmütterchen, Edelwermuth, Ehrenpreis, Estragon, Krause Minze, Lavendel, Melisse, Petersilie, Feld- und Garten-Thymian, Salbei und Bohnenkraut. Als „Gewürzhafte Samen“ wurden Anis, Fenchel, Kümmel, Majoran und die Wacholderbeere empfohlen. Die Haltung der Kaninchen auf einer Weide wurde als „der Natur dieser Thiere sehr gedeiliche, gesunde und in den meisten Fällen auch die entsprechendste“ bezeichnet. Als Begründung wurde angeführt: „Die Weidepflanzen, wie sie die Kaninchen auf der Weide finden und genießen, sind zarter, als wenn sie bis zum Abmähen heranwachsen. Die mäßige Bewegung, die sich diese Thierchen auf der Weide machen, trägt zu ihrem guten Gedeihen und zu ihrer vollkommensten Ausbildung sehr viel bei. Solche Thiere werden in der Regel größer und ihr ganzer Körperbau gewinnt an Schönheit…“ Verwiesen wurde aber auch darauf, dass ein solche Weide nur dann ihren Zweck erfüllt, „… wenn sich auf derselben ein Gemisch der besten Gräser und Kleearten findet.“ Für die Wintermonate wurden Heu, welches von nicht ausgereiften Pflanzen stammte, Wurzelfrüchte wie Rüben und Karotten sowie gedämpfte Kartoffeln und Körner empfohlen. Letztere wurden als Futtermittel beschrieben, mit denen Kaninchen „am schnellsten fett zu machen sind“.

Zur gleichen Zeit beschrieb Schiffmann, 18726) die Übernahme der Zucht von Kaninchen nach französischem Vorbild durch heimkehrende Soldaten nach dem Deutsch-Französischem Krieg (1870-1871). Als Varietäten führte er den deutschen „Stallhaasen“, den „normandiner Haasen“, die „englische Race“, den „Pariser“ und das „wilde Kaninchen“ auf. Für die Zucht empfohlen wurden „Grün-Futter, als Gras, Klee, Rangersen (Futter- bzw. Runkelrüben), weiße (Herbstrübe) und gelbe Rüben (Karotten), Kohlrabi, Kartoffel, Garten- und Küchenabfälle, Unkraut, gut getrocknetes so auch Weinlaub“ und „Trocken-Futter, als Heu, Klee, Haber (Hafer), Gerste, Brod, Kleie, Wicken, Linsen“. Drei Krankheiten wurden von Schiffmann aufgeführt: Kolik durch gefrorene Rüben, Durchfall auf Grund nassen Klees und Augenentzündungen wegen Ställen, die längere Zeit nicht gereinigt wurden. Seine Empfehlung: bei Fressunlust „gebe man Klee und etwas Waldmeister“.

In Meyers Konservationslexikon aus dem Jahr 18857) wird als Fütterungsempfehlung für Kaninchen folgendes angegeben: „Gras, Heu, Körner, namentlich Hafer, Brot, Kleie, Klee, Esparsette, Luzerne, Wicken, Klee-heu, Erbs- und Bohnenstroh, Erbsen, Bohnen, Kartoffeln, Runkeln, Möhren, Topinambur, Laub von Bäumen etc. und gibt zur Anregung des Appetits und Förderung der Verdauung dann und wann einige bittere und aromatische Pflanzen und etwas Salz.“.

Neben der Haltung der Kaninchen in Großviehställen bildeten sich bereits Mitte des 18. Jahrhunderts erste Formen der Heimtierhaltung heraus, indem vor allem Kinder sich Jungtieren der „Stallhasen“, auch „Kuhhasen“ genannt, annahmen. Aus diesen entwickelte sich später unter anderem die Deutsche Riesenschecke mit einem Gewicht von über 6kg8)9). Die spätere Zucht der Kaninchen stützte sich weiterhin vorrangig auf Futter von Grünflächen, Küchenresten, selbst angebauten Feldfrüchten, Sauerfutter (Silage) und eigenen Futtermischungen aus getrockneten Komponenten.

Abb. 3: "Die Kaninchenzucht" von Felden, E.; 1910Felden, 191010) beschrieb z. B. für seine Zucht von Belgischen Riesen (4-5kg) drei Arten der Fütterung: die „Trockenfütterung“ für den Winter, die „Grünfütterung“ für den Sommer sowie die „Körnerfütterung“. Im Sommer bestand das Futter aus gutem Gras, Unkraut aus dem Garten sowie Klee. Salat sei zwar mit Vorsicht zu genießen, empfehlenswert aber wären Mais, Topinambur, Sonnenblume und Comfrey (Beinwell). Als „gut und gesund“ wurden weiterhin Baumzweige von Linde, Haselnuss, Fichte, Birke, Tanne, Weide und Obst sowie Petersilie, Sellerie, Kerbel, Wacholder, Dill, Fenchel, Thymian und Pfefferminze zur Abwechslung und Anregung der Fresslust empfohlen.

Als Beweis für die Genügsamkeit des Kaninchens berichtete Felden über Versuche, die er „ausschließlich mit Grünem, und zwar mit Gras, selten mit Klee oder anderem Grün“ durchgeführt hatte und in denen nur säugende Häsinnen zusätzlich täglich abwechselnd trockene Kleie und wenig Milch mit Brot bekamen. Mit dieser Fütterung erkrankten oder starben weder ausgewachsene, noch Jungtiere.

Abb. 4: "Nutzbringende Kaninchenzucht" von Schneider, J.; 1944Schneider, 191111) unterschied drei Fütterungsarten:

  1. die Trockenfütterung, die nur bei der Mast angewendet wird (mit Hafer, Heu, Brot und gewerblichen Abfällen sowie Wasser)
  2. die gemischte Fütterung (besteht neben den obigen Komponenten weiterhin aus „allerhand Grünzeug, Knollen und Rüben
  3. die „Grünfütterung“.

Der Übergang im Frühjahr von Heu auf Grünfutter sollte nach Schneiders Darstellung langsam erfolgen: ein Handvoll für den ersten Tag, den folgenden Tag zwei Hände voll, nach acht Tagen das doppelte, wobei entsprechend das Trockenfutter reduziert wird. Das Grünfutter sollte abwechslungsreich aus einer Mischung von süßen Gräsern, Löwenzahn, Spitzwegerich, Weißklee, Gras und Wicken bestehen, da diese den Tieren sehr bekömmlich sind. Ab Mitte Juni könne der Rotklee ohne Schaden verfüttert werden. Für die Herbst- und Winterfütterung wurde die Anpflanzung von Kohl, Rüben, Kohlrabi, Runkeln, Möhren und Topinambur empfohlen. Außerdem gibt es dann Gartenabfälle (Laub von Erbsen und Bohnen) sowie Kohlblätter (Wirsing, Butterkohl), weiterhin Un- und Gewürzkräuter wie Petersilie, Sellerie usw. zur Abwechslung. Von Mai bis Oktober besteht das Hauptfutter aber in Wiesengras, Klee und Kohlblättern - fast alle Erzeugnisse von Garten und Feld können verwendet werden - vor allem ein Gemisch aus Gerste, Roggen, Hafer, Wicken, Luzerne, Serradella und Kleearten liefert ein sehr nahrhaftes Futter, welches auch selbst angebaut werden kann.

Als Grünfutter war nach Wulf, 192112) folgendes zu benutzen: „frischgeschnittenes Gras oder Klee, Löwenzahn, Wegerich, Vogelmiere, Schafgarbe, junge Brennesseln, ferner Zweige von Weißdorn, der Akazie und von Obstbäumen. Salat-, Kohl- und Rübenblätter gebe man nur mäßig, da sie leichte Koliken verursachen. Grünkohl (Braunkohl) ist ein besonders beliebtes, leicht anzuziehendes Wintergrünfutter. Hat man keinen solchen, so ist man auf Knollengemüse (Runkeln, Zuckerrüben, Kohlrübenm, Mohrrüben) angewiesen, die sich im Keller im Sand oder im Garten eingelegt und mit Strohmatten bedeckt gut halten. […] Küchenkräuter werden gern genommen und regen die Freßlust an, doch sei man mit Zwiebelgewächsen vorsichtig. Giftig wirken Schierling, Hahnenfuß und alle Nachtschattenarten, somit auch Kartoffelkraut. Ist reichlich Grünfutter da, so lassen die Tiere Giftpflanzen von selbst liegen.“.

Abb. 5: "Ausnutzungsversuch an Kaninchen als Grundlage neuzeitlicher Kaninchenfütterung" von Brüggemann, H.; 1937Brüggemann, 193713) fasste Futtermittel zusammen, die aus seiner Sicht beispielhaft zu den wichtigsten seiner Zeit gehörten (Tabelle 1):

Tabelle 1: Gruppen von Futtermitteln vergangener Zeiten14)

Raufutter Grünfutter Gärfutter Körner Saftfutter
Wiesenheu Luzerne Maisgärfutter Hafer gedämpfte Kartoffeln
Luzerneheu Süßlupine Gerste Futterrüben
Brennnesselheu Weizen

Von Gadsch, 194415) wurden als Unkräuter für die Kaninchenfütterung Hasenkohl (Gemeiner Rainkohl), Hirtentäschelkraut, Klebkraut, Klette, Ochsenzunge, Schöllkraut, Spörgel (Spark), Hahnenfuß, Brennnessel, Rainfarn, Beifuß, Ackerdistel, Kälberkropf, Hundskamille, Bienen-saug (Weiße Taubnessel), Frühlingskreuzkraut (Sencio vernalis), Gänsefingerkraut und Grindampfer (Stumpfblättriger Ampfer) aufgeführt.
Abb. 6: "Die zeitgemäße Kaninchenfütterung" von Martin Gadsch aus dem Jahr 1944
Joppich, 194616) führte folgende Futtermittel für die Kaninchenzucht auf:

  • pflanzliche Abfälle aus den Haushalt (Gemüsereste, Kartoffelschalen)
  • Unkräuter aller Art wie Brennnesseln, Wegerich, Quecke, Melde, Ackerdistel, Franzosenkraut usw.
  • Gartenabfälle wie Möhrenkraut, Kohlrabi-, Kohl- und Rübenblätter, Erbsen- und Bohnenkraut sowie Strünke aller Art
  • angebaute Futterpflanzen wie Gras, Klee, Zichorie, Malve, Markstammkohl, Grünmais, Sonnenblumen, Futtermöhren und Rüben
  • als Raufutter Heu jeglicher Art
  • als Winterfutter Silage, Rüben und Runkeln
  • als Kraftfutter Hafer, Gerste und Kleie.

(Schwarztrauber, 1940) beschrieb die Situation im Ersten Weltkrieg 1914 - 1918, als Scharen von Kindern auf Grünmärkten Jagd auf Abfälle machten und alles erreichbare Grünfutter aus Gärten, von Bahndämmen sowie öffentlichen Anlagen und Wegen sammelten und in Säcke stopften.
Abb. 7: "Kaninchen. Zucht und Haltung" von Friedrich Joppich aus dem Jahr 1946
Zum Grundfutter fasste Schürch, 194917) betriebseigene Futterstoffe, die in größeren Mengen und billig zur Verfügung standen wie Heu, Grünfutter, Silage, Haushaltabfälle, Hackfrüchte usw. zusammen, die aus wirtschaftlichen und Bedarfsgründen mit Kraftfutter ergänzt werden konnten. Aus seiner Sicht gestaltete sich die Aufstellung von Rationen im Sommer am einfachsten, weil als wichtigstes Grundfutter Grünfutter zur Verfügung steht, welches den Bedarf des Kaninchens weitgehend deckt. Einzig für säugende Häsinnen und für Jungtiere sollte das Grünfutter neben kleinen Mengen Heu auch mit Kraftfutter ergänzt werden. Im Winter sei die Rationsgestaltung schwieriger, da z. B. mittelgutes Wiesenheu nicht einmal der Erhaltungsbedarf ausgewachsener Tiere decken kann. Deshalb müsse es durch betriebseigene Futtermittel wie Silage, Rüben, Kartoffeln und Haushaltsabfällen, außerdem ggf. durch Kraftfutter ergänzt werden.

Beispiel einer Winterration nach Schürch, 1949 für ein 3,5kg Tier, mit der es über eine längere Periode bei gleichbleibendem Gewicht erhalten werden kann (Erhaltungsbedarf):
Abb. 8: aus "Die theoretischen Grundlagen der Kaninchenfütterung" von Schürch, 1949 * 50 g mittelgutes Heu

  • 40 g Emd oder sehr gutes Heu (Emd = zweiter Schnitt, auch Grummet)
  • 100 g Futterrüben
  • 100 g Haushaltsabfälle
  • 30 g Hafer.

1 Teil mittelgutes Heu ließe sich durch 2 - 3 Teile Grünfuttersilage, mit Kleie vermischt, ersetzen. Die Grundration bestand also aus relativ energiereichem und natürlichem Futter - ergänzt durch Raufutter wie Heu.

Mangold und Fangauf gaben 195018) gaben die tägliche Verzehrmenge von Heu je Kaninchen und Tag, nach Jahreszeit und nach dem übrigen Futter mit 0 - 150 g an: der durchschnittliche Verzehr lag im Sommer bei 10 g, im Frühjahr und Herbst bei 50 g und im Winter bei 100 g. Maximale Mengen von 150 g werden aufgenommen, wenn Saft- und Kraftfutter rationiert angeboten werden. Das Grünfutter wurde als das naturgemäßeste und in den Sommermonaten als das Hauptfutter bezeichnet. Für die Winterfütterung rückten Saft- und Raufutter in den Vordergrund. Als Saftfutter wurde Löwenzahn, zarteste Grasspitzen, das Gras- und Krautgemisch von Wegesrändern über Kohlblätter und -strünke bis hin zu Rüben und Sauerfutter verstanden - deshalb auch dafür die Bezeichnung Grundfutter. Die täglich aufgenommenen Saftfuttermengen bei ad-libitum-Fütterung können für ein Tier einer kleinen Rasse 300 g, mittlerer Rassen 600 g und für Tiere großer Rassen 900 g betragen.

Brandsch, 196819) stellte fest, dass die Kaninchenzucht und -mast auf Grundlage einer Abfallverwertung von Haus- und Gartenabfällen keine intensive Haltungsform sein kann und Fütterungsmethoden der Kriegs- und Nachkriegsjahre der Vergangenheit angehören sollten. An ihre Stelle sollte ein systematischer Garten-Futterbau treten - effektiv ergänzt durch ein Kraftfutter.

Nach Niehaus, 196820) bestand die frühere Fütterung von Kaninchen aus wirtschaftseigenen und Abfallfutterstoffen wie Grünfutter, Saftfutter und Heu mit Zugaben von Weichfutter und Getreidekörnern.

Meinhardt, 196921) beschrieb die Kuhhasen des vorigen Jahrhunderts, die in den Ställen neben dem Großvieh lebten und von dem vorgelegten Grün- und Kraftfutter profitierten. Er stellt dar, wie in den Jahren der Bauernbefreiung zwischen 1815 - 1848 das kostenlose, frische Wiesenfutter für die Kaninchen herbeigeschafft wurde. Kiepenweise wurde von Tagelöhnern das Unkraut, das bei der Säuberung der Felder der Bauern anfiel, gesammelt und an die Kaninchen verfüttert. Kinder holten von den damals noch nicht asphaltierten Straßen und Wegen, von Straßenrändern und Feldrainen das Frischfutter. Kraftfutter in Form von Getreidesamen wurde zur Ährenlese gesammelt (Meinhardt, 1969).

Dorn, 197322) verwies auf die Schwierigkeit, Ratschläge für die Fütterung zu erteilen, da das Futter noch vorwiegend aus Küchen- und Gartenabfällen bestünde. Unter den Futtermitteln stand für ihn das Grünfutter an erster Stelle, weil auf Grund des hohen Nährstoffgehaltes das Kaninchen in Zuchtruhe seinen Erhaltungsbedarf allein aus diesem zu decken vermag. Als weitere, zusätzliche Futtermittel wurden u. a. Raufutter (Heu aus Klee, Leguminosen und Laub), Wurzeln und Knollen (Kartoffeln, Rüben, Topinambur), Getreide (Hafer, Gerste, Weizen, Roggen und Mais) Hülsenfrüchte, Eicheln und Kastanien, ölhaltige Samen (Leinsamen, Sonnenblumenkerne), Kleien, Trockenfutter (gekörntes Pressfutter) und Sauerfutter (Silage) aufgeführt.

In den 1980er Jahren nahm die Heimtierhaltung in der DDR in den industriellen Ballungsgebieten zu - ca. 15 Jahre später als in der BRD. Vor allem Zwergkaninchen wurden auf Grund ihrer (angenommenen) geringen Bedürfnisse in Wohnungen und auf Balkonen gehalten. Mit der Entwicklung der Mischfuttermittel bestand die Notwendigkeit, den Nährstoffbedarf (Proteine, Fette, Vitamine, Rohfaser etc.) des Kaninchens genau zu bestimmen, um die Tiere mit industriell hergestelltem Futter „optimal“ versorgen zu können. Diese Futtermittel haben den Vorteil, dass der Halter bzw. Züchter sich nicht mehr um das Berechnen von Rationen kümmern musste. Die Zusammensetzung ist stets gleich und die Tiere können keine Bestandteile selektieren. Außerdem kann das Futter über Automaten genau dosiert und regelmäßig ohne größeren Aufwand gefüttert werden. Letztlich sind z. B. die Pellets auch ein Segen für Betriebswirtschaftler und Logistiker auf Grund der platzsparenden Verpackungen und dem Fakt, das auf Grund des fehlenden Wasser das Gewicht des Futters bei gleichem Nährstoffgehalt niedriger ist.

Ursprüngliche Daten für die Ernährung von Kaninchen resultierten aus Versuchen mit verschiedenen Futtermitteln und zusätzlichem Kraftfutter, später konzentrierten sie sich auf pelletierte Alleinfuttermittel. Diese sollten nun die natürliche Nahrung der Kaninchen möglichst ohne große Verluste ersetzen. Die Richtwerte veränderten sich im Laufe der Zeit, bis sich eine relativ einheitliche Empfehlung für Pellets herauskristallisierte, die schließlich für jedes Futter übernommen wurde und bis heute gültig ist. Die Empfehlungen für die Menge an Grundstoffen in pelletierten Alleinfuttermitteln, die für die intensive Kaninchenhaltung/-mast postuliert wurden, haben sich mittlerweile für jede Art der Fütterung von Kaninchen etabliert.

1)
van Dam, P. J. E. M. 2007. Ein Neubürger in Nordeuropa. Menschliche und natürliche Einflüsse auf die Assimilierung des Kaninchens in den Niederländischen Dünen 1300-1700. [Hrsg.] B. Herrmann. Beiträge zum Göttinger Umwelthistorischen Kolloquium 2004-2006. Göttingen : Universitätsverlag, 2007
2)
Zedler. 1733. Zedlers Universal-Lexicon, Band 5. Leipzig. 1733
3)
LeClerc de Buffon, G. L. 1775. Naturgeschichte der vierfüßigen Thiere. Berlin : Pauli, 1775. Bd. 3
4)
Mayer, F. Ch. S. 1789. Anweisung zur Angorischen oder Englischen Kaninchenzucht. Dresden : Waltherische Hofbuchhandlung, 1789
5)
Fries, M. 1872. Die Kaninchenzucht. Stuttgart : Im Selbstverlag des Verfassers, 1872
6)
Schiffmann, E. 1872. Das französische Kaninchen (Lapin) und dessen rationelle Zucht in Deutschland. 2. Aufl. Nürnberg : J. L. Stich, 1872
7)
Meyers. 1885. Meyers Konversationslexikon (1885-1892). Leipzig & Wien : Verlag des Bibliographischen Instituts, 1885. Bde. 4. Aufl., 9. Band: Irideen - Königsgrün
8)
Meinhardt, G. 1969. Das älteste Kaninchen-Bildnis. Deutscher Kleintier-Züchter, Ausgabe Kaninchen. 1969, 10, S. 8
9) , 22)
Dorn, F. K. 1973. Rassekaninchenzucht: ein Handbuch für Züchter, Zuchtrichter und Studierende. 3., überarb. Aufl. Melsungen : Neumann-Neudamm, 1973
10)
Felden, E. 1910. Die Kaninchenzucht. 2. Stuttgart : Ulmer, 1910
11)
Schneider, J. 1911. Nutzbringende Kaninchenzucht. Leipzig : Hachmeister & Thal, 1911
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Wulf, A. 1921. Taschenbuch der Kleinhaustiere (Federvieh, Kaninchen, Meerschweinchen, Ziegen, Schafe und Schweine). Eßlingen, München : Schreiber, 1921
13) , 14)
Brüggemann, H. 1937. Ausnutzungsversuch an Kaninchen als Grundlage neuzeitlicher Kaninchenfütterung. Biedermanns Zentralbl. für Agrikulturchemie und rationellen Landwirtschaftsbetrieb. 1937, 6, S. 374-393
15)
Gadsch, W. 1944. Die zeitgemäße Kaninchenfütterung. Berlin : Pfenningstorff, 1944
16)
Joppich, F. 1946. Kaninchen. Zucht und Haltung. Berlin : Deutscher Zentralverlag GmbH, 1946
17)
Schürch, A. 1949. Die theoretischen Grundlagen der Kaninchenfütterung. Schweizerische landwirtschaftliche Monatshefte. 1949, 1, S. 41-65
18)
Mangold, E. und Fangauf, R. 1950. Handbuch der Kaninchenfütterung. Radebeul : Neumann Verlag GmbH, 1950
19)
Brandsch, H. 1968. Die Broiler-Kaninchen-Mast – ein industriemäßiger Produktionszweig. Monatshefte für Veterinärmedizin. 1968, Bd. 23, 4, S. 139-142
20)
Niehaus, H. 1968. Zur Ernährungsphysiologie des Kaninchens. Arch. Geflügelzucht u. Kleintierkd. 1968, Bd. 17, S. 25-42
21)
Meinhardt, G. 1969. Das Kaninchen und die Bauernbefreiung. Deutscher Kleintier-Züchter, Ausgabe Kaninchen. 1969, 3, S. 7
fuetterung/geschichte.txt · Zuletzt geändert: 2018/11/02 20:57 von andreas

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